Silvan Meier Rhein / Aktuelles

10.03.2022

Mit der IV-Revision per 1. Januar 2022 sind einige wichtige Änderungen in Kraft getreten

Die bisherigen vier Rentenstufen (Viertelsrente, halbe Rente, Dreiviertelsrente, ganze Rente) werden durch ein stufenloses Rentensystem abgelöst. Die Überführung bestehender IV-Renten in das neue stufenlose Rentensystem macht die IV von Amtes wegen. Für über 55-jährige gibt es keine Änderung. Für unter 30-jährige kommt es spätestens nach zehn Jahren zu einer Anpassung. Für alle anderen erfolgt eine Überführung in das stufenlose Rentensystem nur bei einer Revision. Neu muss die Änderung des Invaliditätsgrades dabei mindestens 5 % erreichen, was die Sache nicht einfacher macht. advokatur rechtsanker empfiehlt, sich vor Einreichung eines Rentenerhöhungsgesuchs rechtlich beraten zu lassen.

Um die Stellung der Versicherten bei der Begutachtung zu verbessern, muss das Gespräch bei der Begutachtung seit 01.01.2022 mit einer Tonaufnahme dokumentiert werden. Bei einer von der IV angeordneten medizinischen Begutachtung werden zudem die Qualifikationen der Ärztinnen und Ärzte genauer definiert. Die IV-Stellen müssen eine Liste mit Angaben zu allen beauftragten Sachverständigen und Gutachterstellen führen, wobei auch die attestierten Arbeitsunfähigkeiten auszuweisen sind. Neu wird eine Kommission eingerichtet, die die Zulassung als Gutachterstelle, das Verfahren der Gutachtenerstellung und die Ergebnisse der medizinischen Gutachten überwacht. In dieser Kommission werden die verschiedenen Sozialversicherungen, die Gutachterstellen, die Ärzteschaft, die Wissenschaft sowie Patienten- und Behindertenorganisationen vertreten sein.

Beratung und Begleitung bei den beruflichen Massnahmen wurden ausgebaut und werden früher gewährt. Die IV erhält neu die Möglichkeit, sogenannte Brückenangebote mit den Kantonen zusammen zu finanzieren. Bisherige Massnahmen werden vor allem zeitlich ausgeweitet.

Das «kleine Taggeld» bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung sinkt und wird analog einem Lehrlingslohn konzipiert. Solche Änderungen werden von der IV von Amtes wegen vorgenommen. Bei laufenden Taggeldleistungen jedoch wird weitgehend der Besitzstand gewahrt und es ist mit keiner Reduktion zu rechnen.

Beim Assistenzbeitrag werden nicht nur die Nachtpauschalen deutlich erhöht, sondern es wird auch die Möglichkeit geschaffen, die nicht durch AssistentInnen abgedeckten Nächte in Tagstunden umzuwandeln. Grund kann beispielsweise sein, dass die Hilfe nachts unentgeltlich durch Angehörige erbracht wurde und nicht von der Assistenzperson selber. Die Beratungspauschale kann neu alle drei Jahre beansprucht werden. Dazu muss ein begründetes Gesuch (z.B. neue Arbeitsverträge, Änderung der Abrechnungsformulare) eingereicht werden.

Für Medizinischen Massnahmen der IV wurde die Liste der der Geburtsgebrechen stark angepasst und erweitert. Bisher wurden medizinische Massnahmen bis zum 20. Altersjahr zugesprochen. Neu können diese bis zum 25. Altersjahr verlängert werden, wenn die IV gleichzeitig berufliche Massnahmen gewährt. Falls ein Geburtsgebrechen nicht mehr anerkannt wird, weil es aus der Liste gestrichen wurde, ist neu die Krankenkasse zuständig. Umgekehrt: Wenn eine Krankheit neu als Geburtsgebrechen anerkannt wird, empfiehlt sich eine Anmeldung bei der IV. Für Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) etwa galt bisher, dass die Diagnose bis zum 5. Altersjahr gestellt werden musste, um als Geburtsgebrechen anerkannt zu werden. Die Altersgrenze wurde neu gestrichen, da nicht bei allen Patienten einer ASS die Krankheit so früh erkannt wurde. Bei allen Kindern, bei welchen die Diagnose einer ASS nach dem 5. Altersjahr gestellt wurde, empfiehlt es sich auf jeden Fall, möglichst bald ein neues Gesuch für medizinische Massnahmen einzureichen. Wichtig: Die Diagnose sollte, wenn immer möglich, von einer auf Autismus spezialisierten medizinischen Fachperson gestellt werden und eine Behandlungsindikation enthalten.